Humboldt-Universität zu Berlin - Collaborative Research Center for Theoretical Biology

Verarbeitung akustischer Signale in einem geschichteten sensorischen System: Physiologische Grundlagen und Evolution neuronaler Merkmalsextraktion

Verarbeitung akustischer Signale in einem geschichteten sensorischen System: Physiologische Grundlagen und Evolution neuronaler Merkmalsextraktion Im Zentrum der Untersuchungen steht die neuronale Verarbeitung der Zeitmuster akustischer Kommunikationssignale in einem Insekten-Nervensystem. Eine Besonderheit des von uns betrachteten auditorischen Systems von Heuschrecken besteht darin, dass die Merkmalsextraktion und Erkennung der artspezifischen Gesänge ausgesprochen robust gegen Störungen durch verschiedenartige Rauschprozesse sowie auch gegenüber zeitlichen Streckungen und Stauchungen („time warp“) der Kommunikationssignale sind. Wie die Erkennung trotz großer Signalverzerrungen aufrechterhalten wird, welche Prinzipien der Robustheit neuronaler Antworteigenschaften zugrunde liegen und welche evolutionären Constraints zu einer bei verschiedenen Arten nahezu identischen Vorverarbeitung der Signale geführt haben, sind drei zentrale Fragestellungen des Projekts.

In einer eng aufeinander abgestimmten Kombination von elektrophysiologischen Experimenten, Computermodellen und theoretischen Analysen sollen allgemeine Mechanismen der Verarbeitung akustischer Signale untersucht und folgende Fragen beantwortet werden: Wieweit können die beobachteten Charakteristika neuronaler Signalverarbeitung aus den intrinsischen dynamischen und nichtlinearen Eigenschaften einzelner auditorischer Nervenzellen abgeleitet werden? Welche Einschränkungen an mögliche Codierungsschemata ergeben sich aus der Stochastizität der beteiligten Prozesse? Welche Rolle spielen Rückkopplungs-Schleifen bei der Signalverarbeitung und welches Designprinzip liegt der vielfachen und geschichteten Repräsentation akustischer Stimuli im Metathorakalganglion zu Grunde?

Parallel dazu soll die neuronale Basis der außergewöhnlichen Leistungen von Heuschrecken bei der Erkennung artspezifischer Gesänge untersucht werden. Hierbei ist einerseits von Interesse, mit welcher Präzision individuelle Gesänge auf den verschiedenen neuronalen Ebenen abgebildet und unterschieden werden können, welche Charakteristika der natürlichen Signale dafür maßgeblich sind und welche Bedeutung diesen Merkmalen unter dem Gesichtspunkt der sexuellen Selektion zukommt. Andererseits wollen wir verstehen, wie erreicht wird, dass die Gesangserkennung von der stark schwankenden Körpertemperatur weitgehend unabhängig ist, welche Algorithmen dazu geeignet sind, Gesangsmuster trotz großer „time warps“ verlässlich zu erkennen und wie diese Algorithmen physiologisch implementiert sind. Aus einem Vergleich der neurophysiologischen Resultate mit parallel durchgeführten Verhaltensversuchen erwarten wir auch Erkenntnisse hinsichtlich der Plausibilität alternativer neuronaler Codierungsschemata.

Mittelfristig wollen wir uns auch der Evolution neuronaler Signalverarbeitung widmen und fragen, welchen Grad an Robustheit die wichtigsten Charakteristika gegenüber Veränderungen der Einzelzell-Dynamik, synaptischer Kopplungsstärken und der Netzwerktopologie aufweisen. Die Analyse der daraus für die Evolution der akustischen Kommunikation resultierenden Konsequenzen wird eine neuartige Verknüpfung von neurobiologischen, verhaltensökologischen und evolutionsbiologischen Fragen ermöglichen. Die Homologisierbarkeit identifizierter Neurone in unterschiedlich nahe verwandten Heuschreckenarten eröffnet dabei längerfristig auch die Chance, die im Laufe der Artbildung stattfindenden kritischen Veränderungen neuronaler Netzwerke zu erfassen.

Beschreibung der zweiten Periode
Beschreibung der aktuellen Periode