Humboldt-Universität zu Berlin - Institut für Biologie

 

Johannes Meister, Annette Upmeier zu Belzen

Funktionales Denken bei der Konstruktion von Liniendiagrammen im biologischen Fachunterricht


Liniendiagramme dienen in den Naturwissenschaften unter anderem der graphischen Darstellung von zu einem naturwissenschaftlichen Phänomen empirisch erhobenen Daten und damit der Visualisierung von quantitativen Zusammenhängen. Qualitative Liniendiagramme, in denen die Achsen nicht skaliert sind, stellen einen (funktionalen) Zusammenhang zwischen zwei Variablen bzw. Größen mit dem Fokus auf den generellen Trend dar. Dem Umgang mit diesen qualitativen Liniendiagrammen, vor allem ihrer Konstruktion durch Schüler_innen, wird mit Blick auf das Denken in funktionalen Zusammenhängen (funktionales Denken: Vollrath, 1989; Malle, 2000) ein lernförderlicher Effekt beigemessen (Leuders & Prediger, 2005). Offen bleibt bisher, welche biologischen und mathematischen Denkweisen Schüler_innen nutzen, wenn sie ein entsprechendes qualitatives Liniendiagramm zu einem (komplexen) biologischen Phänomen konstruieren.
Ziel des Projektes ist daher die Analyse und Beschreibung von individuellen Konstruktionsprozessen qualitativer Liniendiagramme, wobei vor allem auf das Wechselspiel von biologisch-inhaltlichen und mathematisch-funktionalen Überlegungen fokussiert wird.
Hierzu wurde auf Grundlage der naturwissenschaftsdidaktischen Konstrukte der Diagrammkompetenz (Lachmayer, 2008) und der naturwissenschaftlichen Modellierung (Upmeier zu Belzen & Krüger, 2010; Krell et al., 2016) sowie der mathematikdidaktischen Konstrukte des funktionalen Denkens (Vollrath, 1989; Malle, 2010; Nitsch, 2015) und der mathematischen Modellierung (Blum, 1985; Blum & Leiß, 2005; Borromeo Ferri, 2006) ein Modell zur naturwissenschaftlich-mathematischen Modellierung entwickelt (Meister & Upmeier zu Belzen, FDdB im Druck).
Die in diesem Modell postulierten Schritte werden durch eine qualitative Analyse von individuellen Konstruktionsprozessen empirisch überprüft. Dazu konstruieren Schüler_innen der Sekundarstufe II zu einem konkreten biologischen Phänomen ein qualitatives Liniendiagramm. Durch Lautes Denken sowie die digitale Erfassung des Gezeichneten (mit Hilfe eines SmartPens) werden die individuellen biologischen sowie mathematischen Überlegungen erfasst, die jeweils zur Konstruktion eines bestimmten Abschnitts im Liniendiagramm geführt haben.
Das Projekt leistet damit einerseits durch die Beschreibung von Mathematisierungen im Biologieunterricht einen Beitrag zur naturwissenschafts- und mathematikdidaktischen Forschung. Andererseits ermöglicht die Kategorisierung der Konstruktionsprozesse nach biologischen und mathematischen Kriterien die Ableitung gezielter Differenzierungs- und Fördermaßnahmen für den Unterricht.