Humboldt-Universität zu Berlin - Collaborative Research Center for Theoretical Biology

Eingriffe von Parasiten in das Immunsystem ihrer Wirte

Endoparasitische Nematoden können dank hochspezifischer evolutionärer Anpassungen in ihren Wirten überleben, indem sie Immunantworten ausweichen, Effektormechanismen blockieren oder in die Steuerung des Immunsystems eingreifen. Wir konnten zeigen, dass immunmodulierende Proteine parasitischer Nematoden spezifische Eigenschaften aufweisen, die bei homologen Proteinen des freilebenden Nematoden Caenorhabditis elegans nicht auftreten. Besonders prominent sind die Blockierung bestimmter Proteasen, Proliferationshemmung und Induktion von IL-10. Erstaunlicherweise ist dieses Muster der Effekte von unterschiedlichen Immunmodulatoren recht einheitlich. Im Folgeantrag soll am Beispiel von zwei immunmodulierenden Proteinen parasitischer Nematoden (Filarien-Cystatin, Filarien-Serpin), die wir im vorangegangenen Projekt molekular charakterisiert haben, die Wechselwirkung der Moleküle mit Wirtszellen auf molekularer Ebene untersucht werden. Wir nehmen an, dass die Parasitenproteine mit distinkten Wirtsmolekülen interagieren, die im Nachfolgeprojekt identifiziert werden sollen, um den Mechanismus der Immunmodulation zu beschreiben. Von besonderem Interesse ist dabei, ob die Parasitenproteine im sinne einer einheitlichen Strategie identische oderähnliche Zielmoleküle adressieren, oder ob sie im Sinne einer strategischen Diversifizierung ganz unterschiedliche Wirtsmoleküle ansprechen, insgesamt aber ähnliche Effekte erzielen. Da ein Teil der Effekte durch Interaktion mit Oberflächenrezeptoren der Wirtszellen erklärbar sind, sollen Rezeptoren von Zielzellen identifiziert und Signaltransduktionswege analysiert werden, unter anderem mit Hilfe der Two-Hybrid Systems, eines genetischen Screens und Microarray-Genexpressionanalysen. Der Vergleich mit den homologen Proteinen von C. elegans soll aufzeigen, ob die ausgelösten Effekte auf ein spezifisches evolutionäres Design der Parasitenproteine zurückgehen.

Als weiteren Aspekt planen wir vergleichende Analysen von Allergenen parasitischer Nematoden und von C. elegans . Leitsymptome von Nematodeninfektionen sind hohe Konzentrationen an Immunoglobulin E und Eosinophilie, d.h. dieselben Symptome wie bei allergischen Reaktionen (Überempfindlichkeitsreaktionen vom Typ I). Nematoden setzen nachweislich potente Allergene in ihren Wirten frei. Im Gegensatz zu Überempfindlichkeitsreaktionen vom Typ I unterbleiben bei Wurminfektionen jedoch schädigenden Effektormechanismen wie z.B. Ausschüttung von Histamin, Anlockung von Immunzellen und Gewebezerstörung durch Inflammation. Diese Inhibition der Effektormechanismen wirkt sich auch auf Allergien anderen Ursprungs aus, so dass paradoxerweise Personen mit Wurminfektionen weniger unter Allergien leiden als Nicht-Infizierte. Induzieren Allergene parasitischer Würmer aufgrund eines spezifischen evolutionären Designs Immunreaktionen, bei denen zwar IgE auftritt, nicht aber die eigentlichen schädlichen Effektorreaktionen einer Überempfindlichkeitsreaktion? Zur Bearbeitung dieser Frage haben wir das Muskelprotein Tropomyosin von Filarien molekular charakterisiert; es induziert starke IgE-Antworten und ist in diesem Sinne ein Allergen, ähnlich wie dies für Tropomyosine anderer Wirbelloser beschrieben ist. Erste Ergebnisse weisen aber auf eine Hochregulation von IL-10 durch Filarien-Tropomyosin hin das verantwortlich für die Suppression von Inflammationsantworten sein könnte. Damit liegt nahe, dass auch Nematodenallergene ein spezifisches, inflammationshemmendes Design aufweisen. Durch vergleichende Studien des Tropomyosins von C. elegans und (nicht-allergenen) Tropomyosinen von Wirbeltieren sollen molekulare Strukturen identifiziert werden, so dass später Rezeptoren und Signalwege charakterisiert werden könnten, was weitere Hinweise auf die evolutionären Strategien der parasitischen Nematoden geben könnte.

In Kooperation mit dem Projekt C3 möchten wir mit einer quantitativen Analyse der durch parasitische Nematoden ausgelösten Genexpressionsprozesse in Wirtszellen beginnen. Im Gegensatz zur physiologischen IL-10-Expression in Lymphozyten, die die Integration mehrerer Stimuli erfordert, induziert Filariencystatin in Makrophagen und in T-Zellen die spontane Produktion von IL-10. Um die molekularen Strategien der IL-10-Induktion durch Filarien detailliert zu untersuchen, werden wir ein kinetisches Modell für die durch Filarienproteine aktivierten Signaltransduktionswege und Transkriptionsfaktoren erarbeiten und im Vergleich mit den Modellen der Zytokinexpression in t-Lymphozyten analysieren. Mit Methoden, die der evolutionären Spieltheorie verwandt sind, sollen darüber hinaus strategische Aspekte der IL-10 Induktion theoretisch untersucht werden. Den Ausgangspunkt für diese Analyse werden die experimentellen Befunde des Projekts und das kinetische Modell der durch Filarienproteine aktivierten Signaltransduktionswege darstellen. Im systematischen Kontext der Regulation humoraler und inflammatorischer Immunantworten soll aufbauend auf bisherigen theoretischen Untersuchungen des Projekts analysiert werden, warum es für Parasiten günstig ist, IL-10 als Angriffspunkt für die Modulation von Signalwegen des Wirtes zu wählen. Zum anderen soll die Frage gestellt werden, warum die Regulationsnetzwerke des Immunsystems in der Evolution kein höheres Maß an Robustheit gegenüber Störungen ihrer Signale durch Parasiten entwickelt haben.

Beschreibung der ersten Periode