„Vegetal Companions“ ist eine Veranstaltungsreihe des __matter Festivals 2025 und eine Kooperation mit dem Exzellenzcluster „Matters of Activity“ der Humboldt-Universität zu Berlin, in Zusammenarbeit mit der Nachtuniversität und Circle U., der europäischen Hochschulallianz der Humboldt-Universität zu Berlin.
Am 13. Mai wurde die Installation „Planted Archives“ in der Systematischen Abteilung des Späth-Arboretums eingeweiht. Für die künstlerische Arbeit von Rahel Kesselring und Maja Avnat wurden verschiedene Bodenproben aus anderen, umweltgeschichtlich bedeutsamen Standorten in das Arboretum gebracht. Auf den unbehandelten Erden werden sich im Laufe der Zeit Pflanzen unkontrolliert entwickeln. In der lebendigen Skulptur erscheint Erde als ein Archiv verschiedener menschlicher und nicht-menschlicher Aktivitäten, deren kontaminierte Geschichte in der Installation zum Tragen kommt.
„Planted Archives“ eröffnete die Veranstaltungsreihe „Vegetal Companions“ als Teil des __matter Festivals 2025 des Exzellenzclusters „Matters of Activity“ der Humboldt-Universität zu Berlin.
Für die prozesshafte Installation »Planted Archives« wurde im Winter 2024/25 Erde von umweltgeschichtlich bedeutsamen Standorten in das Späth-Arboretums verlegt. Die ausgewählten Standorte sind stark durch ihre industrielle Nutzung geprägt, es sind einerseits Orte, die symbolisch aufgeladen sind und andererseits Orte, die realer Kontamination ausgesetzt sind: die Spree-Pyramide in Berlin, das Protest-Camp »Tesla stoppen« in Grünheide bei Berlin, die Film-Fabrik in Bitterfeld-Wolfen sowie der Tagebau im Hambacher Forst. Ein Beet ist zudem mit Kompost des Späth-Arboretums gefüllt worden, in einem »Kontrollbeet« wurde die Erde so belassen wie sie war.
Die sechs verschiedenen Felder werden brach gelassen; mit der Zeit werden sich unterschiedliche Pflanzen auf ihnen ansiedeln. Diesen Prozess werden wir nicht steuern oder lenken, sondern nur beobachten und dokumentieren. Mit den Erden und den Pflanzen, die auf den verschiedenen Feldern wachsen werden, möchten wir nicht nur die zum Teil im Verschwinden begriffenen Standorte dokumentieren, sondern auch an die lokalen Kämpfe für den Erhalt dieser Orte erinnern. Indem wir Erde als Archiv nicht-menschlicher und menschlicher Aktivitäten verstehen, interessieren uns diese Orte als Indikatoren des Übergangs, als Kristallisationspunkte verschiedener politischer und ökologischer Konflikte aber auch als Möglichkeit um über die Zukunft dieser Gegenden zu spekulieren. Im Boden dieser Orte finden sich nicht nur Pflanzensamen, sondern auch eine Vielzahl Erzählungen und Geschichten: solche des Verlusts und der Zerstörung, aber auch des Wachstums und der Regeneration.
Beetaufbau
1. Kontrollbeet
Beobachtung 23.5.2025
Auf dem Boden der systematischen Abteilung, wie er vor Beetentstehung war, haben sich typische Gartenwildkräuter wie z.B. Hirtentäschel (Capsella bursa-pastoris), Feldsalat (Valerianella lecusta) und Spitzwegerich (Plantago lanceolata) angesiedelt. Außerdem sind kleine Ackerwildkräuter nährstoffarmer Standorte zu sehen wie z.B. Frühlings-Ehrenpreis (Veronica verna), Feinblättrige Miere (Sabulina tenuifolia, Syn.: Minuartia tenuifolia) und Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana). Besonders interessant ist die Kornrade (Agrostemma githago): eine auffällige Ackerwildblume mit dunkelpinken Blüten, die früher häufig in Getreidefeldern stand, heute aber in Deutschland als stark gefährdet gilt und nur noch selten zu finden ist. Wegen ihrer Giftigkeit wurde sie im modernen Ackerbau fast ausgerottet. Aus dem Botanischen Garten sind Stieleiche (Quercus robur) und Gemeine Osterluzei (Aristolochia clematitis) in das Beet eingewandert.
Das Entstehen von Kompost wird von Philosoph*innen und Theoretiker*innen als kollaboratives Projekt einer Gemeinschaft aus verschiedenen Lebewesen und Entitäten verstanden: „we are all compost" (Donna Haraway). In diesem Beet kommen die Reste zusammen, die bei der Gartenarbeit im Späth-Arboretum anfallen. Das pflanzliche Material des Komposts stammt von Pflanzen, die aus unterschiedlichen Regionen der Welt kommen und seit dem späten 19. Jahrhundert im Arboretum gepflanzt und gepflegt wurden - und weiterhin werden. Die verschiedenen Schichten pflanzlicher Bestandteile zersetzen sich mit Unterstützung der Würmer, Bakterien und Gärtner*innen - aber auch durch Wasser und Wetter. Dieser Beet-Abschnitt archiviert dieses kolloborative Projekt.
Beobachtung 23.5.2025
Es wachsen typische konkurrenzstarke Gartenwildkräuter wie das Klettenlabkraut (Galium aparine), die Weiße Melde (Chenopodium album) und der Kompasslattich (Lactuca serriola) die sich durch Samen stark ausbreiten und als Unkraut gelten können. Es tauchen auch Brachlandpflanzen bzw. Feldbegleitpflanzen wie Klatschmohn (Papaver rhoeas), Vergissmeinnicht (Myosotis sp.) und die Geruchlose Kamille (Matricaria inodora) auf. Besonders interessant ist das Auftreten von Schlafmohn (Papaver somniferum). Dieser ist nicht heimisch und als Kulturpflanze für die Gewinnung von Mohnsamen und Opium bedeutsam. Durch die gute Nährstoffversorgung sehen die Pflanzen sehr vital aus. Zierliche und konkurrenzschwache Arten fehlen.
In Niederschöneweide bei Berlin befindet sich am Ufer der Spree die ehemalige Deponie des Werks Kanne (später Lakufa), in dem seit Ende des 19. Jahrhunderts Pigmente hergestellt wurden. Über hundert Jahre wurden die Herstellungsabfälle an das Ufer der Spree am Rand des Fabrikgeländes gebracht. Als in den 1990er-Jahren der Standort saniert wurde, konnten giftige Substanzen wie Cyanid und Arsen, die in die Spree und das Grundwasser durchgedrungen waren, nachgewiesen werden. Im Zuge der Sanierung wurde die Deponie in eine pyramidenähnliche Form gebracht, eine Mauer in die Tiefe des Spreeufers und des Kanals gebaut und eine grundwasserschützende Filteranlage installiert. Zwischen Pyramide und Spree entstand eine kleine Brachfläche, auf der sich Erde gesammelt hat und Pflanzen gewachsen sind. Dieser Beet-Abschnitt archiviert Erde von zwei Seiten der Spree-Pyramide.
Beobachtung 23.5.2025
Rainfarn, Weiße Melde und Brombeeren – sind typische Vertreter von Ruderal- und Saumgesellschaften, wie sie an Wegrändern, auf Brachflächen, an Dämmen oder auf Schuttplätzen vorkommen. Sie bevorzugen meist durchlässige, nährstoffreiche, oft aber nur mäßig stickstoffreiche Böden. Solche Böden sind häufig von menschlichen Eingriffen geprägt und zeichnen sich durch eine gewisse Störungstoleranz sowie eine hohe Dynamik im Pflanzenbestand aus. Es sind viele verschiedene Pflanzenkeimlinge zu sehen, die noch nicht bestimmt werden können.
Arten im Spree-Pyramide-Beet:
Lateinischer Name
Deutscher Name
Familie (Latein)
Tanacetum vulgare
Rainfarn
Asteraceae
Chenopodium album
Weiße Melde
Amaranthaceae
Convolvulus arvensis
Zaunwinde
Convolvulaceae
Rubus spec.
Brombeere (Rubus sp.)
Rosaceae
SämlingeTanacetum vulgareRubus spec.
4. Grünheide
Das Waldgebiet in der Nähe der Tesla-Fabrik in Grünheide, östlich von Berlin, wurde im Laufe des Jahres 2024 von Aktivist*innen besetzt, um die geplante Erweiterung der Produktionsanlagen in ein Wasserschutzgebiet zu verhindern. Die Fabrikfläche eines demokratiefeindlichen Milliardärs soll verdoppelt werden und dafür müssten 100 ha Wald in einem Trinkwasserschutzgebiet gerodet werden. Der erhöhte Wasserverbrauch der Produktion in der Fabrik in der ohnehin trockenen Region trägt zum Trinkwassermangel und zur Situation der Trinkwasserrationierung für Anwohnende sowie zur erhöhten Gefahr von Waldbränden bei. Das Protestcamp wurde Ende 2024 von der Polizei geräumt. Der Waldboden, auf dem sich das Protestcamp befand könnte bald mit Asphalt und Beton versiegelt sein. Dieser Beet-Abschnitt archiviert Erde des Protestortes.
Beobachtung 23.5.2025
Zu sehen sind typische Vertreter lichter Wälder, Waldränder und Heiden, wie sie besonders in Kiefernwäldern (Pinus sylvestris) zu finden sind. Der Boden ist meist sauer, nährstoffarm, sandig bis moorig und gut durchlässig. Solche Standorte zeichnen sich durch einen niedrigen pH-Wert und einen geringen Kalkgehalt aus. Die Böden sind oft arm an Stickstoff und Phosphor, was die Konkurrenzkraft von Spezialisten wie Heidelbeere (Vaccinium myrtillus) und Preiselbeere (Vaccinium vitis-idaea) fördert. Auch Farne wie der Breitblattige Dornfarn (Dryopteris dilatata) und Sträucher wie der Faulbaum (Frangula alnus) gedeihen hier. Es sind viele verschiedene Pflanzenkeimlinge zu sehen, die noch nicht bestimmt werden können.
Die Film- und Kunstfaserfabrik AGFA (später ORWO) leitete seit Mitte des 20. Jahrhunderts ihre Produktionsabwässer in eine nahegelegene, ehemalige Tagebaugrube, die aufgrund der eingeleiteten chemischen Substanzen den Namen „Silbersee" erhielt. Die Schwermetalle in den Abwässern verseuchten die Böden, führten zum Absterben der Vegetation rund um den See und verursachten Gesundheitsschäden bei den Bewohner*innen der Umgebung. Nach fast einem Jahrhundert der Filmproduktion wurde die Fabrik im Jahr 1990 größtenteils abgerissen. Bitterfeld-Wollfen wurde zum Symbol der Umweltverschmutzung der DDR Zeit. Heute steht nur noch eine Produktionshalle, in der sich ein Industrie- und Filmmuseum befindet. Davor erstreckt sich eine brachliegende Fläche, auf der sich Pflanzen ausbreiten. Der „Silbersee" wird derzeit verfüllt, um die schwermetallhaltigen Schlämme abzudecken Seine Oberfläche soll bis 2030 mit einer Bepflanzung 'rekultiviert' werden, die die regionalen Ökosysteme unterstützt. Dieser Beet-Abschnitt archiviert Erde der Brache vor der Fabrikhalle und vom Ufer des Silbersees.
Beobachtung 23.5.2025
Es sind viele verschiedene Pflanzenkeimlinge zu sehen, die noch nicht bestimmt werden können. Es könnte sich bei einigen Keimlingen um Süßgräser, Disteln und Habichtskräuter handeln.
6. Hambacher Forst
Der Hambacher Forst ist ein ehemals dicht bewaldetes Gebiet und heute einer der größten aktiven Kohleabbaugebiete Europas. Große Flächen des Waldes wurden für die Ausweitung des Tagebaus gerodet. Seit 2012 ist der Hambacher Forst von Aktivist*innen besetzt und hat eine überregionale Bedeutung im politischen Kampf gegen den Kohleabbau und für die Umweltbewegung in Deutschland erlangt. Auch die Infrastruktur in der Umgebung des Hambacher Forsts wird zur Zeit größtenteils abgerissen, um Platz für den Tagebau zu schaffen und das Gelände soll in den kommenden Jahren vollständig abgetragen werden. Seit der Evakuierung der Bewohner*innen und der Zerstörung der Infrastruktur ist das Gelände mit Ruderalvegetation und ehemals kultivierten Pflanzen überwachsen. Dieser Beet-Abschnitt archiviert Erde aus dem noch existierenden Teil des Hambacher Forsts sowie aus einem im Frühjahr 2025 besetzten Bereich in der ehemaligen Stadt Manheim.
Beobachtung 23.5.2025
Nach kurzer Zeit sind Vertreter nährstoffangereicherter, gestörter Böden zu sehen, wie z.B. Ampfer (Rumex sp.), Wilde Möhre (Daucus carota) und Schafgarbe (Achillea millefolium) . Sie wachsen bevorzugt auf tiefgründigen, humosen Lehmböden, die mäßig bis gut durchlüftet sind und eine ausreichende Feuchtigkeit aufweisen. Die Pflanzen zeigen an, dass der Boden eine gute Versorgung mit Nährstoffen (vor allem Stickstoff) bietet und oft durch menschliche Aktivitäten beeinflusst ist. Es sind viele verschiedene Pflanzenkeimlinge zu sehen, die noch nicht bestimmt werden können.