Humboldt-Universität zu Berlin - Institut für Biologie

Aktueller Stand der Forschung

 

Die höchste Auflösung der Struktur von Photosystem II (PSII) aus dem Cyanobakterium Thermosynechococcus elgongatus, die kürzlich in unserer Arbeitsgruppe erzielt werden konnte, beträgt 2.44 Å [1]. Das Besondere an dieser PSII Struktur ist die Ähnlichkeit mit der Anordnung des PSII in der nativen Thylakoidmembran. Wichtige Ergebnisse dieser nativ-ähnlichen PSII-Struktur werden hier präsentiert [1]. Auf der Basis dieser Struktur werden weiterführende dynamische Experimente an verbesserten PSII-Kristallen mit Hilfe der Femtosekunden-Röntgendiffraktion erläutert. Hierbei steht im Zentrum unserer wissenschaftlichen Zielsetzung die Aufklärung des Mechanismus der Wasserspaltung im PSII.

 

Nativ-ähnliche Superstruktur vom Photosystem II bei 2.44 Å Auflösung 

 

Der sog. „Kernkomplex“ (core complex) des Photosystem II (PSIIcc) besteht aus mindestens 20 Protein-Untereinheiten und über 100 Kofaktoren. Dieser Komplex ist in die photosynthetische Thylakoidmembran eingebettet. Die PSIIcc-Kristallstruktur mit einer verbesserten Auflösung von 2.44 Å erlaubte eine eindeutige Identifizierung von allen 20 Protein-Untereinheiten pro Monomer, einschließlich der PsbY-Untereinheit [Abb. 1], welche zumindest teilweise in vielen vorherigen PSIIcc-Kristallstrukturen fehlte [7]. Auch die Kofaktoren, 36 Chlorophyll a Moleküle, 11 ß-Carotine, 2 Plastochinone, 1 Häm-Eisen, 2 Pheophytin a, 19 integrale Lipide und etliche nicht zuordenbare Lipide, zwei Chloride sowie der Wasser oxidierende Komplex (WOC) mit dem katalytischen Zentrum, dem Mn4CaO5-Cluster, und zwei Wassermoleküle, konnten identifiziert werden [Abb. 2].

Bild entnommen aus [2].

Abb. 1: Überblick über die Struktur des dimeren PSIIcc bei 2.44 Å Auflösung. Seitenansicht des dimeren PSIIcc. Die drei extrinsischen Protein-Untereinheiten PsbO (grün), PsbU (pink), PsbV (blau) und die intrinsische Protein-Untereinheit PsbY (rot) sind farblich hervorgehoben [1, 2].

 

Bild entnommen aus [2].

Abb. 2: Kofaktoren in dimerem PSIIcc bei einer Auflösung von 2.44 Å. Alle Protein-Untereinheiten sind im Cartoon-Modell (transparent-grau) dargestellt. Die Kofaktoren sind im Stick-Modell gezeigt: 36 Chlorophyll a Moleküle (grün), 11 ß-Carotine (orange), 2 Plastochinone (rot), 1 Häm-Eisen (blau), 2 Pheophytin a (pink), 19 integrale Lipide, zwei Chloride (dunkelgrün) sowie der Wasser oxidierende Komplex (WOC) mit 4 Mn-Ionen (violett), Ca-Ionen (hellgrün), 5 Sauerstoff-Atome (rot) [1, 2].

 

 

Der erste Schwerpunkt dieser Studie lag in der Optimierung der Kristallisationsbedingungen für dimeres PSIIcc (dPSIIcc) zur Verbesserung der bestehenden Auflösung von 2.9 Å [3]. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde gezielt ein neues Detergenz Octaethyleneglycolmonododecylether (C12E8) anstatt des sonst üblichen n-Dodecyl-ß-D-maltoside (βDM) verwendet. Die zuerst erhaltenen Kristalle wiesen nur eine Auflösung in Bezug auf die Röntgenbeugungsdaten von bis zu maximal 6 Å auf. Der Grund hierfür bestand darin, dass es sich um Membranproteinkristalle vom Typ II handelt, die den Detergenzgürtel, welcher den Membranproteinkomplex wasserlöslich macht, enthalten. Der hohe Detergenzgehalt der Kristalle destabilisiert letztendlich den Kristall, indem er Proteinkontakte verhindert. Um diesen unerwünschten Effekt zu vermeiden, wurden die Kristalle einer Nachbehandlung unterzogen. Bei der Prozedur wurde den Kristallen sowohl Wasser als auch die Detergenzgürtel entzogen. Es wurden also Kristalle vom Typ II in solche vom Typ I  transformiert. Das Ergebnis dieses Experiments führte überraschenderweise zu einer verbesserten Auflösung von 2.44 Å der dPSIIcc-Kristalle [1].

Bild entnommen aus [2].

Abb. 3: Kristallkontakte in dPSIIcc-Kristallen vom Typ I.

A: Drei PSIIcc-Dimere sind in einer Reihe angeordnet (Sicht aus Richtung Cytoplasma). Die Protein-Untereinheiten sind in grün und grau dargestellt bis auf die Antennenuntereinheiten CP43 (blau) und CP47 (orange); Chlorophylle (pink). Die Ellipsen kennzeichnen zwei strukturstabilisierende integrale Lipide (MGDG) und die Kästen wechselwirkende PsbO-Untereinheiten (vergrößerter Ausschnitt in B). B: Der Dimer-Dimer Kontakt zwischen zwei PsbO-Resten (Ser 139 und Thr 138). C: Dimer-Dimer Wechselwirkung hervorgerufen durch zwei integrale Lipide MGDG (LMG 785 und 789) und ein Chlorophyll-Molekül (Chl a 612) zwischen den Antennenproteinuntereinheiten CP43 und CP49 (Sicht aus Richtung Stroma). Potentielle Wasserstoffbrückenbindungen mit einer Distanz von 4 Å sind mit gestrichelten Linien gezeigt [1, 2].

 

Kristallpackung und Kristallkontakte in dPSIIcc-Kristallen vom Typ I: Ein Protein-Protein Kontakt zwischen den PsbO-Untereinheiten konnte in dPSIIcc-Kristallen vom Typ I nachgewiesen werden. Die Dimer-Dimer Wechselwirkung wird ferner durch die zwei integralen Lipide MGDG und ein Chlorophyll-Molekül zwischen den Antennenproteinuntereinheiten CP43 und CP47 von zwei benachbarten Dimeren stabilisiert [Abb. 3 A, B].

© Structure

Abb. 4: Links: Elektronenmikroskopische (EM) Aufnahme der in Reihe geschalteten PSIIcc-Dimere in der Thylakoidmembran [8]. Rechts: Überlagerung der dPSIIcc-Struktur mit der EM Aufnahme [1]. In rot eingekreist sieht man ein PSIIcc-Dimer (in grün), daneben das nächste PSIIcc-Dimer in blau gekennzeichnet und dann abwechselnd in Reihe geschaltet.

 

Die dPSIIcc-Moleküle in den transformierten Kristallen zeigen eine spezielle Anordnung in Reihen [Abb. 4]. Durch die Überlagerung mit den elektronenmikroskopischen Aufnahmen der dimeren PSIIcc-Moleküle in der Thylakoidmembran der Cyanobakterien [8] wird der ursprüngliche nativ-ähnliche Charakter der Anordnung in den Kristallen klar ersichtlich. Wir konnten auf Grund dieser Daten das erste hochaufgelöste Modell von nativ-ähnlichen dPSIIcc-Superstrukturen bei 2.44 Å Auflösung zeigen.

 

 

Dynamische Messungen an dPSIIcc-Mikrokristallen: Simultane Femtosekunden- Röntgendiffraktions- und Röntgenemissionspektroskopie

 

Im zweiten Schwerpunkt unserer wissenschaftlichen Zielsetzung beschäftigen wir uns intensiv mit der Aufklärung des fünfstufigen katalytischen Zyklus der Wasseroxidation am Mn4CaO5-Cluster. Das Hauptproblem bei der konventionellen Röntgenkristallographie an Synchrontonquellen besteht darin, dass sich die röntgeninduzierten Strahlenschäden besonders in den PSII-Kristallen bemerkbar machen, vor allem im katalytischen Zentrum der Wasserspaltung. Hierbei werden zum einen Änderungen der Oxidationsstufen der Mn-Ionen innerhalb des Mn4CaO5-Clusters induziert und dies führt wiederum zur Veränderung der Mn-Mn-Abstände. Somit kann es leicht zu einer Fehlinterpretation der einzelnen sog. S-Zustände kommen, welche der Mn4CaO5-Cluster während der katalytischen Spaltung des Wassers und Erzeugung des Sauerstoffs durchläuft. Um dieses Problem zu lösen, wurde eine neue Methode verwendet, nämlich Femtosekunden-Röntgendiffraktionsmessugen (in Stanford (USA), Linac Coherent Light Source (LCLS)) an dPSIIcc-Mikrokristallen.

© Science

Abb. 5: Schematische Darstellung der simultan gesteuerten Röntgendiffraktions- und Emissionsspektroskopiemessungen mit getriggertem Laserpulsen an den dPSIIcc-Mikrokristallen.

Oben: Messung der dPSIIcc-Mikrokristalle, die in einer festen Zeiteinheit durch eine Kapillare gepumpt werden. Die Röntgendiffraktionsdaten ermöglichen die Analyse über die Kristallstruktur (links unten). Die Röntgenemissionsspektren liefern zusätzliche Informationen über die chemischen Eigenschaften des Mn4CaO5-Clusters. Das Energienivieau-Diagramm für die Emissionsspektren, die Mn-Kß1,3 Spektren und das Schema von einem energiedispersiven Spektrometer werden gezeigt (rechts unten). Durch dynamische LCLS-Messungen sollen die verschiedenen S-Zustände strukturell und spektroskopisch eingefangen werden [4].

 

Linac Coherent Light Source (LCLS): Mit Hilfe der in Serie geschalteten Femtosekunden-Röntgenkristallographie in Kombination mit der Röntgenemissionsspektroskopie ist es erstmals möglich die Struktur von dPSIIcc in unterschiedlichen S-Zuständen bei Raumtemperatur und somit unter physiologischen Bedingungen zu messen [Abb. 5]. Die Femtosekunden-Diffraktionsmessungen an den dPSIIcc-Mikrokristallen sind so schnell, dass eine Strahlenschädigung im Kristall ausgeschlossen werden kann, da sich die Strahlenschädigungen auf einer langsameren Zeitskala entwickeln. Für diese Messung wurden große Mengen an dPSIIcc-Mikrokristallen verwendet, die von uns durch spezielle Seeding-Methoden gezüchtet worden sind ([9] siehe Abb. 6a). Die dPSIIcc-Mikrokristalle werden im dunkeladaptierten S1-Zustand durch die gleichzeitige Datenerfassung von Röntgendiffraktionsmustern und Röntgenemissionsspektren an der LCLS gemessen. Durch die Aufnahme der Röntgenemissionsdaten konnten wir zeigen, dass der Mn4CaO5-Cluster in den Mikrokristallen intakt ist und in der Tat im S1-Zustand vorliegt. 

© PNAS

Abb. 6: (a) dPSIIcc-Mikrokristalle (Länge: ca. 5-20 µm) unter dem Mikroskop. (b) und (c) Ein Röntgendiffraktionsbild bzw. maximale Diffraktionsreflexe von dPSIIcc-Mikrokristallen, die durch LCLS-Messungen erzeugt worden sind. Ein vollständiger erster Datensatz des S1-Zustandes dieser Mikrokristalle wurde bei einer Auflösung von 6.5 Å aufgenommen. Die Auflösung wurde inzwischen auf 4.9 Å verbessert [6].

 

Neueste dynamische LCLS-Messungen an unseren verbesserten dPSIIcc-Mikrokristallen: Die Ergebnisse der bisherigen Studien zeigten eindeutig, dass die „probe before destroy“ Strategie mit Hilfe der dynamischen LCLS-Messungen an den dPSIIcc Mikrokristallen unter physiologischen Bedingungen erfolgreich war  [Abb. 6]. 

© PNAS

Abb. 7: (a) Coherent X-ray imaging (CXI) Elektronendichte eines Monomers vom dimeren PSIIcc im dunkeladaptierten S1-Zustand bei 6.5 Å, (b) Synchrotrondaten (SR) vom Monomer eines dimeren PSIIcc bei 100 K. Die Auflösung lag hier für einen dPSIIcc Kristall bei 2.9 Å [4]. (c) und (d) zeigen jeweils genauere Darstellungen des Bereichs um den Mn4CaO5-Cluster.

 

Vergleicht man die Coherent X-ray imaging (CXI) Daten der dPSIIcc-Mikrokristalle bei 6.5 Å Auflösung mit denen der Standard-Cryo-Röntgendiffraktionsdaten an der Synchrontonquelle (ESRF; Grenoble; Frankreich) bei 2.9 Å Auflösung, so erkennt man, dass alle 20 Proteinuntereinheiten im dPSIIcc pro Monomer vorhanden sind und dass darüber hinaus der Mn4CaO5-Cluster in derselben Position sitzt [siehe Abb. 7]. Auf Grund dieser Erkenntnisse wurde der S-Zyklus der Wasserspaltung am Mn4CaO5-Cluster von uns unter die Lupe genommen. Die dynamischen LCLS Messungen an den verbesserten dPSIIcc-Mikrokristallen [9] wurden in der CXI-Messzeit 2014 verwendet. Hierbei wurde der gesamte S-Zyklus durch gezielte Schnappschüsse (S-Zustände) wie in einem Film festgehalten [6] [Abb. 8]. 

© Nature Communications

 

Abb. 8: Gezeigt ist die anomale Dichte mit  3 σ konturiert (lila) für den Mn4CaO5-Cluster der beiden Monomere im dimeren PSIIcc, die durch vier verschiedenen Belichtungszeiten (Schnappschüsse des Lasers auf die Kristalle, F steht hier für Flash) erhalten worden sind. Einige Aminosäurereste der D1 Proteinuntereinheit (in gelb), die sich um den Mn4CaO5-Cluster anordnen, sind hier zur Orientierung gezeigt [6].

 

 

Das Ergebnis dieser dynamischen Messungen zeigt deutlich, dass wir nun in der Lage sind, den S-Zyklus der Wasserspaltung an den dPSIIcc-Kristallen durch Röntgendiffraktions- und simultaner Röntgenemissionsspetroskopie einzufangen. Bisher lagen die Auflösungen der Femtosekunden-Röntgendiffraktionsdaten der dPSIIcc-Mikrokristalle bei den verschiedenen S-Zuständen bei maximal 4.5 Å. Um molekulare Änderungen im Bereich des WOC während der Reaktion der Wasserspaltung beobachten zu können, benötigen wir mindestens einen Röntgendiffraktionsdatensatz von ca. 2.0 Å.

 

Unser dritter Schwerpunkt liegt nun zum einen in der Verbesserung der nativ-ähnlichen dPSIIcc-Kristalle auf mindestens 2.0 Å Auflösung und zum anderen in der Entwicklung eines neuen Seeding-Protokolls zur Erzeugung von geeigneten dPSIIcc-Mikrokristallen für die dynamischen Femtosekunden-Röntgendiffraktionsmessungen am LCLS.

 

Unser ultimatives Ziel ist die Aufklärung des Mechanismus der Wasserspaltung am Photosystem II. 

 

 

Referenzen

 

[1]       J. Hellmich, M. Bommer, A. Burkhardt, M. Ibrahim, J. Kern, A. Meents, F. Müh, H. Dobbek, A. Zouni, Native-like photosystem II-superstructure at 2.44 Å resolution through detergent extraction from the protein crystal, Structure 22:1–9, 2014.

[2]       J. Hellmich, Cyanobacterial Photosystem II in a native-like superstructure at 2.44 Å resolution and first serial femtosecond X-ray studies, PhD thesis, 2014.

[3]       A. Guskov et al., Cyanobacterial photosystem II at 2.9-Å resolution and the role of quinones, lipids, channels and chloride, Nature Struct. Mol. Biol. 16, no.3, Mar 2009.

[4]       J. Kern, R. Alonso-Mori, R. Tran, J. Hattne, R. J. Gildea, N. Echols, C. Glöckner, J. Hellmich, et al., Simultaneous femtosecond X-ray spectroscopy and diffraction of photosystem II at room temperature, Science 340: 491–5, 2013.

[5]       J. Kern, R. Alonso-Mori, J. Hellmich, R. Tran, J. Hattne, et al. , Room temperature femtosecond X-ray diffraction of photosystem II microcrystals, Proc. Natl. Acad. Sci. U. S. A. 109:9721–6, 2012.

[6]       J. Kern et al., Taking snapshots of photosynthetic water oxidation using femtosecond X-ray diffraction and spectroscopy, Nat. Commun., DOI: 10.1038/ncomms5371, 2014.

[7]       Y. Umena, K. Kawakami, J. Shen, N. Kamiya, Crystal structure of oxygen-evolving photosystem II at a resolution of 1.9 Å, Nature 473: 55-60, 2011.

[8]       I.M. Folea, P. Zhang, E.-M. Aro, E.J. Boekema, “Domain organization of photosystem II in membranes of the cyanobacterium Synechocystis PCC6803 investigated by electron microscopy”. FEBS Lett. 582:1749–54, 2008.

[9]       M. Ibrahim, Quality Improvement of Photosystem II Microcrystals for Femtosecond X-ray Crystallography, Master thesis, 2013.